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Nichtstun ist harte Arbeit

Ich kann bei diesen Temperaturen nicht arbeiten. Aber ich muss es auch nicht.

Zumindest versuche ich, mir dies immer wieder glaubhaft zu versichern.
Denn immer noch tickt mein Gehirn in einem Vollzeit-Festanstellungs-Takt, der mir weismachen will, dass man gefälligst im Zeitfenster von 8 bis 18 Uhr augenscheinlich schwer beschäftigt an einem Arbeitsplatz zu sitzen hat. Dass jeder ein renitenter Faulpelz ist, der nicht spätestens um 7 Uhr morgens aus dem Bett hüpft.

Und selbst in meiner Zunft der beruflich Selbständigen und Unabhängigen findet man diese Produktivitätsmonster, die schon in aller Herrgottsfrühe ordentlich was wegmeditiert oder einen 10 km-Lauf hinter sich gebracht haben.

Ich dagegen habe gestern bis um 11.00 Uhr geschlafen. Ja wirklich. Einfach nur geschlafen. Und auch danach habe ich kaum etwas getan, was man anerkennend nickend auf dem Konto „Arbeit“ verbuchen könnte. Unter der Woche. An einem Werktag.

Ich habe nicht meditiert, ich habe keine To-Do-Liste geschrieben und „mein Business“ nicht „aufs nächste Level gehoben“. Ich habe keinen veganen Grünkohlsmoothie gefrühstückt, keinen Persönlichkeitsentwicklungsratgeber gelesen und auch kein Early-Morning-Yoga-Work-Out absolviert. Ich war einfach nur komplett lazy. Und während ich das so schreibe, habe ich das Bedürfnis, mich dafür vor mir selbst rechtfertigen zu müssen. Immerhin ist das Leben doch eine Baustelle, auf der man ständig irgendwo herumbuddeln muss. Selbstoptimierung galore. Da passt es doch nun wirklich nicht hinein, sich am späten Vormittag nochmal zum Schlummern umzudrehen um dann am Nachmittag in einem schattigen Plätzchen an der Elbe herumzugammeln.

Ich hasse kaum etwas so sehr, wie das Gefühl des Nicht-Ausgeschlafen-Seins. Ich bin nicht automatisch produktiv und fleißig, nur weil ich mich mit dem ersten Sonnenstrahl aus dem Bett quäle (das habe ich viel zu lange geglaubt und gemacht). Selfcare besteht manchmal auch einfach darin, sich auszuruhen und den Tag nach dem eigenen Rhythmus zu gestalten: Weil meine kreative Leistungskurve halt erst nachmittags oder abends nach oben schnellt. Weil jeder eine andere Taktung hat. Und weil es komplett okay ist, auch einfach mal – völlig ohne Grund – gar nichts zu machen.

Unser gestörtes Verhältnis zum Faulsein, Ausschlafen und Herumgammeln nervt mich! Es nervt mich, dass immer den ganzen Tag über so unglaublich beschäftigt und fleißig getan wird. Und es nervt mich, dass auch ich manchmal immer noch so sehr damit überfordert bin, nichts zu tun. Dass ich es mir immer noch jeden Tag aufs Neue erlauben muss. Dass es mit Gewissensbissen verbunden ist, wenn ich auf mich selbst und auf mein Wohlbefinden achte.

Und ich glaube fest daran, dass es nicht nur mir so geht.

Oder…?

Nichtstun ist halt harte Arbeit.