„Die Unbestechliche“ von Maria v. Welser & Waltraud Horbas
München, Ende der 60er Jahre: Gesellschaftliche Umbrüche, politische Spannungen und eine Pandemie halten nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt in Atem.
Die 21-jährige Alice wusste schon als Kind, dass sie einmal Journalistin werden wollte. Als ihr Traum endlich Gestalt annimmt und sie mit einem Redaktionsvolontariat bei einer Münchner Lokalzeitung einsteigen kann, sieht sie sich trotz – oder gerade wegen – all ihres Ehrgeizes zum ersten Mal mit den zahlreichen Widerständen konfrontiert, die ihr als Frau in der Männerdomäne Journalismus immer wieder begegnen sollen: Cholerische Vorgesetzte, Machtmissbrauch, sexistische Kommentare, herablassende Vorurteile.
Als alleinerziehende Mutter ist es für Alice immer wieder ein Kraftakt, den Spagat zwischen ihrem unerschütterlichen beruflichen Kampfgeist und dem Bedürfnis, ihrer Tochter Elena eine gute und fürsorgliche Mutter zu sein, zu meistern. Im rauen Arbeitsalltag findet Alice aber auch schnell Verbündete unter ihren Kolleginnen: Mit der Archivarin Elsie und der Sekretärin Anna kommt es bald zu humorvoll-konspirativen Treffen, die weit über das Berufliche hinausgehen und Freundschaften zwischen den Frauen entstehen lassen. Alice arbeitet sich als Reporterin in der deutschen Medienlandschaft nach oben und schafft es immer wieder, ihre privaten und beruflichen Interessen unter einen Hut zu bringen.
„Die Unbestechliche“ ist aber nicht nur die Geschichte einer willensstarken und zielstrebigen Frau, sondern auch eine Zeitreise in die BRD der 70er Jahre. Die persönlichen Erlebnisse der Protagonistin werden immer wieder geschickt mit dem damaligen Zeitgeschehen verwoben und in den historischen Kontext eingeordnet. So findet das schreckliche Attentat auf die Olympischen Spiele 1972 ebenso Erwähnung wie die Ölkrise und die damit verbundenen autofreien Sonntage – inklusive Picknick auf der Autobahn.
Doch gleichwohl sich dieser Roman zeitlich vor einem halben Jahrhundert abspielt: Immer wieder gelingt es der Autorin deutlich zu machen, wie viele der damaligen Probleme auch heute noch brandaktuell sind. „Die Unbestechliche“ ist kein Blick zurück, vielmehr offenbart die Geschichte auf gekonnt subtile Weise den Stillstand, der seither in unserer Gesellschaft und Politik in vielen Bereichen immer noch herrscht, und zeigt, welche Kämpfe nach wie vor ausgefochten werden müssen.
Basierend auf den persönlichen Erinnerungen der Journalistin Maria von Welser – die 1988 mit „MonaLisa“ das erste Frauenmagazin im deutschen Fernsehen gründete – hat Waltraut Horbas in „Die Unbestechliche“ die Geschichte von Alice ausgearbeitet und eine sehr überzeugende und sympathische Protagonistin geschaffen. Der journalistische Alltag und die handelnden Personen werden authentisch und glaubwürdig dargestellt, der Schreibstil ist geradlinig, schnörkellos und manchmal schon etwas etwas zu sachlich.
Für meinen Geschmack verliert sich die Geschichte zu oft in sehr langen Dialogen und kleinteiligen Beschreibungen. Auf den knapp 400 Seiten des Romans gibt es keinen klaren Spannungsbogen, die Handlungsstränge werden sehr lose und episodenhaft miteinander verknüpft und laufen dann oft ins Leere – was das Lesen manchmal zu einer etwas zähen Angelegenheit macht.
Aber vielleicht will „Die Unbestechliche“ auch gar kein fesselnder Spannungsroman sein, sondern einfach nur die Geschichte einer entschlossenen Frau erzählen.
Danke an Vorablesen.de für dieses Rezensionsexemplar.
Disclaimer:
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